„Als Kind sind wir meist chancenlos gegenüber unseren Eltern, unsere Grenzen setzen zu können, aber als mündiger Erwachsener müssen wir uns das nicht mehr gefallen lassen und wir dürfen uns wehren.“ (Norbert Rogsch)

Wie viele Kinder, erwachsene Frauen und Männer leiden darunter, dass sie sich gegenüber anderen nicht trauen, Grenzen zu setzen, Nein und Stopp zu sagen. Es ist eine toxische Knicke, die sich in unseren Köpfen breit gemacht hat und die dafür sorgt, dass wir es zulassen, dass andere unsere Grenzen ignorieren und auf ihnen herumtrampeln.

In einem Workshop erzählte ein junger Mann, dass er sich nicht traut, Nein zu sagen, weil er Angst um sein Leben hat. Er glaubt, der andere könnte jetzt wütend werden und versuchen, ihn umzubringen und das nur, weil er seine Grenzen setzen will.

Dabei sollte es das normalste von der Welt sein, dass wir Grenzen setzen, Stopp und Nein sagen, wenn es uns ein Bedürfnis ist und wir es für uns richtig und wichtig finden.

Immer wieder lesen wir, wie Frauen in der Filmbranche, im Job, im Musikgeschäft, in der Beziehung…. von arroganten, machtmissbrauchenden und übergriffigen Männern zu sexuellen Handlungen gezwungen, erpresst oder misshandelt werden, obwohl die Frauen eindeutig Nein sagen und Grenzen setzen. Die Grenzen, das Nein wird einfach ignoriert und nicht akzeptiert.

In meiner Herkunftsfamilie war ein Nein gegenüber meinen Eltern und Grenzen setzen vollkommen ausgeschlossen. Wenn mich meine Mutter fragte, ob ich dies oder jenes für sie mache, war die Antwort schon vorher für sie klar. Wenn ich dann wider Erwarten gegenüber meiner Mutter doch ein Nein äußerte wurde sie wütend und machte mir Vorwürfe.
Die Frage war also nie eine echte Frage, die ein Nein oder ein Ja zur Auswahl hatte, es wurde von meiner Mutter ein JA erwartet, unabhängig davon, ob ich meine eigenen Grenzen und Bedürfnisse dabei übergehe.

Wie viele Kinder erleben tagtäglich Gewalt gegenüber ihren kleinen, zerbrechlichen Körpern, müssen Schläge von ihren Eltern ertragen, ohne eine Chance zu haben, ihre Grenzen wahren zu können.
Jungens, die ungefragt beschnitten werden, Genitalverstümmelungen bei Mädchen. Kinder, für die es normal ist, von den Eltern angeschrien, beschimpft und gedemütigt zu werden.

Es ist verständlich, dass es für Kinder und Erwachsene sehr unangenehm ist und sie Angstzustände bekommen, wenn sie mit Menschen zu tun zu haben, die einem die Erlaubnis verweigern, Grenzen zu setzen und Nein sagen zu dürfen.
Wenn es dann noch die eigenen Eltern sind, die eigene Herkunftsfamilie ist, die einem Grenzen zu setzen und Nein sagen zu dürfen absprechen, dann ist das für ein Kind, das den Eltern hilflos und schutzlos ausgeliefert ist ein absoluter Alptraum. Dass ein Kind, welches von seinen Eltern sein Recht auf Grenzen zu setzen abgesprochen bekommt, darunter enorm leidet, muss uns klar sein. Es muss uns auch klar sein, dass das keine Einzelfälle sind, sondern Alltagsrealität für die meisten Kinder und Erwachsenen.
Die Grenzüberschreitungen, die ein Kind, ein Erwachsener in seinem Leben erfährt, mögen unterschiedliche Abstufungen haben und von jedem unterschiedlich empfunden und eingeordnet werden. Das ändert aber nichts daran, dass diese in großem Ausmaß vorhanden sind.

Menschen, die unsere Grenzen nicht achten und respektieren, sollten sich nicht in unserem nahen Umfeld befinden, auch wenn sie den Titel Eltern für sich beanspruchen. Kein guter Mensch, guter Partner, Chef, Freund, Eltern und Familienangehöriger, nimmt einem anderen das Recht, seine Grenzen zu setzen und Stopp sagen zu dürfen. Das tun nur Menschen, die in erster Linie an ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen interessiert sind.
Es ist in Ordnung, dass wir vielleicht traurig und enttäuscht sind, wenn der andere Nein sagt, aber es ist nicht in Ordnung, die Grenzen des anderen nicht zu respektieren und ihm gar einen Strick daraus zu drehen, ihm Vorwürfe und Schuldgefühle zu machen oder ihn körperlich anzugreifen.

Leider leben wir aus meiner Sicht in einer menschlich sehr rauen, empathie- und lieblosen Welt, wo mehr die eigenen Egogefühle, Egoerwartungen und Egobedürfnisse zählen, als andere fair, gerecht, gleichberechtigt, erwachsen und reif zu behandeln. Menschen, die keine Neins, keine Grenzen erlauben und die Rechte anderer nicht respektieren, sind Menschen, für die Fairness, reifes und erwachsenes Verhalten Fremdwörter sind. Die eigenen Egoziele und Selbstgerechtigkeit durchzusetzen, sowie das kleinkindliche, sensible und verletzte Ego beschützen zu wollen steht im absoluten Vordergrund.

Wohlmöglich würde Frauen nie in die Nähe von bedrängenden Männern und einer Vergewaltigung kommen, hätten sie von klein auf gelernt, dass niemand das Recht hat, sie ohne ihre Erlaubnis anzufassen und dass ihre Grenzen absolut unantastbar sind. Ihre Aura, ihr Energiefeld würden unmissverständlich ein klares Nein und Stopp ausstrahlen und somit jede Übergriffigkeit schon im Vorhinein im Keim ersticken.
Kinder würden in der Schule vermutlich kein Mobbing erleben, wenn sie von den Eltern innerlich starke Grenzen mitbekommen hätten und kein Kind würde Mobbing begehen, hätte es von Haus aus gelernt, dass es die Grenzen andere nicht überschreiten darf.

Aber das lernt man nur in gesunden Familien, bei Eltern, die dem Kind erlauben und es dahin fördern, dass es Grenzen setzen, Nein und Stopp sagen darf und kann.
Wir brauchen daher aus meiner Sicht unbedingt immer mehr gesunde Elternhäuser und Familien, wo das Kind gezeigt bekommt und erleben darf, dass seine Grenzen wichtig und ernst genommen werden und auf ganz natürliche Weise da sein dürfen.
Grenzen setzen und Nein sagen dürfen, ist ein fundamentales, natürliches, menschliches Bedürfnis und sollte von Eltern bei ihrem Kind mit großer Sorgfalt gefördert und entwickelt werden.

Jedes mal, wenn ein Kind von den Eltern oder von anderen Grenzüberschreitungen erlebt, wird es darum beraubt, sich dagegen wehren zu dürfen und wo es in sich immer mehr den Glauben entwickeln wird, dass es kein Recht auf seine Grenzen hat, andere diese nicht interessieren und es nichts dagegen machen kann.

Es ist ein immer wiederkehrender Kreislauf, der nur dadurch sein Ende findet, wenn wir anfangen zu lernen, unsere Grenzen zu schützen und uns trauen Nein sagen, wenn wir auch Nein sagen wollen. Das ist oft ein Prozess, der über einige Zeit hinweg lang dauern kann, aber wir dürfen lernen, uns und unsere Grenzen so wichtig zu nehmen, dass wir unsere Grenzen jedem gegenüber setzen und behaupten können.

Es muss uns klar sein, jetzt wo wir erwachsen sind, trägt nur einer die Verantwortung dafür, dass niemand unsere Grenzen übergeht und das sind wir selbst. Es ist kleinkindlich von uns, wenn wir von anderen erwarten, sie müssen gefälligst spüren, wenn uns etwas zu viel ist, der andere endlich seinen Mund halten soll, aufhören soll, zu nahe an uns zu stehen oder aufhören soll, uns zu belästigen. Klar ist es schöner und einfacher, wenn wir alle miteinander so leben würden, dass niemand des anderen Grenzen übergeht und ignoriert. Angefangen bei Eltern zu ihren Kindern. Aber das ist eine Traumwelt und nicht real. Die meisten Eltern und „Erwachsenen“ sind meiner Ansicht nach geistig und emotional nicht reif genug, um selbst gesunde Grenzen setzen zu können und noch weniger verstehen sie, wenn sie selbst zu weit gehen und die Grenzen des Kindes überschreiten. Eltern reagieren selten konstruktiv, entschuldigen sich nicht und zeigen keine Einsicht. Im Gegenteil, sie tun verletzt, fühlen sich angegriffen, machen dem (auch erwachsenen) Kind Vorwürfe, dass es zu empfindlich reagiert und sagen, wir (die Eltern) haben doch gar nichts Schlimmes gesagt oder getan.

Für ein gesundes und selbstbestimmtes Leben, für ein Leben, wo wir nicht darauf angewiesen sein wollen, ob der andere unsere Grenzen respektiert oder nicht, braucht es von uns Eigeninitiative und die Bereitschaft, wachsen zu wollen.

Lernen wir immer mehr und besser, wie wir unsere Grenzen vor rücksichtslosen Zeitgenossen beschützen können und lassen wir es nicht mehr zu, zum Spielball anderer zu werden. Unsere Grenzen gegenüber anderen zu setzen und zu bewahren ist unser Geburtsrecht und wird dafür sorgen, dass wir immer freier und selbstbestimmter mit anderen in Kontakt gehen können.

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